Die neue Woche beginnt mit einer 19 Stunden Busfahrt von Mendoza nach Salta im Norden, um (hoffentlich) der winterlichen argentinischen Kälte etwas zu entkommen. 


Am Dienstag haben wir spontan ein Bus Ticket gebucht und noch Promo-Restplätze bekommen: “Semi-Cama sin Servicio” (also weit zurückklappbarer Sitz ohne Essen und Getränke an Board) für ca. 60€ statt 100€ - Juhu, was für ein Schnäppchen, das Essen war letztes Mal ja auch eher schlecht, also ist die Freude groß. Einziger kleiner Haken: es sind keine zusammenhängenden Plätze mehr frei, sondern nur noch Platz 26 und 28 - Laut Buchungssystem am Fenster und am Gang auf gleicher Höhe gegenüber. Macht ja nichts, vielleicht tauscht ja der nette Mitfahrer mit dem Gangplatz später. 


Donnerstag um 11:30 ist es dann soweit: bewaffnet mit mehreren Sandwich Milanesas, Empanadas und mehreren Litern Wasser geht es los. Der Bus kommt dieses Mal auch pünktlich. Also nur noch schnell und problemlos das Gepäck eingeladen und los kann's gehen. 

In der Schlange zum einsteigen suchen wir dann schonmal unsere Pässe raus, schließlich haben wir inzwischen gelernt, dass man sich bei Überlandfahrten immer ausweisen muss, bevor man einsteigen darf. Ich habe aus Versehen Cristians Ticket in der Hand und frage, ob wir tauschen können, um den Fahrer, der die Tickets kontrolliert nicht zu verwirren - aber hm... Auf Cristians Ticket steht auch Cristians Name.... Also 2 Tickets mit dem selben Namen... Jetzt nur keine Panik... Schnell überlegt: Busfahrer doch verwirren scheint die beste Taktik. Wir halten ihm beide Tickets und Pässe gleichzeitig hin und dürfen nach einigen ratlosen Blicken auf unsere komischen deutschen Pässe ohne Probleme einsteigen. 

Im Bus stellt sich dann raus, dass die Plätze doch nicht auf gleicher Höhe sind, sondern eine Reihe versetzt. Zudem haben wir 2 Fensterplätze. Wir wundern uns etwas, aber gut.... Vielleicht tauscht ja später trotzdem wer, da bisher noch nicht viele Passagiere im Bus sitzen. In den Reihen hinter uns gibt es mittlerweile heftige Diskussionen, wer wo sitzt, bis schließlich der zweite Busfahrer dazu kommt und versucht die Situation zu klären. Sitze tauschen gehe nicht, da die Herrschaften Promo Plätze gebucht hätten und tauschen zudem aus Sicherheitsgründen verboten sei. Zusammen sitzen gehe also nicht. Der Busfahrer ruft die Namen einzeln auf und die dazugehörige Sitznummer... Das gefällt der Familie aber gar nicht. Also geht die Diskussion von vorne los. Mittlerweile sind weitere Passagiere dazugekommen, die auf ihre Plätze wollen, auf denen die diskutierende Familie sitzt. Also versucht der Busfahrer wieder Namen und Platz Nummern aufzurufen und die Leute umzuverteilen. Dabei stellt sich raus, dass drei Familienmitglieder den gleichen Namen haben... Der Busfahrer ist ratlos und verfrachtet kurzerhand einfach doch alle zusammen ins hintere Ende des Busses - Problem gelöst. Und los geht die Fahrt mit einer halben Stunde Verspätung.


12:05: Hilfe.... Wir haben eine Kaffeefahrt gebucht....es steht ein Vertreter im Bus der lautstark eine tolle Promo anpreist: eine Zeitschrift mit Geldbeutel für Ihn, einem Geldbeutel für Sie, vier Kugelschreiber, vielen Buntstiften und eben dieser waaaaahinsinnig tollen Zeitung die alleine schon 65 Pesos kostet und das alles, ja wirklich alles für SA-GEN-HAF-TE 100 Pesos (also ca. 5€). Vielleicht waren die Tickets ja deshalb so billig?

15 Minuten später ist der Mann etliche Exemplare los geworden und wieder weg. Puh, doch keine Kaffeefahrt?! 


Neben mir auf Platz 27 sitzt bisher niemand, neben Cristian auf Platz 29 ein kleines Mädchen mit ihren Eltern und ihrem kleinem Bruder daneben über dem Gang auf den Plätzen 22, 23. Das Mädchen wird wohl nicht tauschen.... Aber vielleicht bleibt der Platz bei mir ja frei. Also setzten wir uns erstmal zusammen. 


14:00: In San Juan, dem ersten Stopp steigt dann erst mal niemand ein auf unserem Platz 27. Allerdings steigt ein älterer Herr zielstrebig auf Platz 28 zu.... Komisch... Der hat sich bestimmt vertan. Die Familie vor uns schaut auch etwas komisch, aber ok. Im Laufe der Fahrt setzt er sich dann auch eine Reihe weiter nach vorne, wo er mehr Platz hat; also alles gut. 


14:30: Der Busfahrer verteilt Getränke und Snack Pakete (auch an uns und die anderen Promo Gäste – komisch, wir hatten doch "sin servicio" gebucht...). Naja, wir sagen nicht nein und freuen uns. Es gibt Chips und Kekse.



16:00 Nächster Stopp: 

Der ältere Herr hat sein Gepäck auf Platz 28 zurück gestellt und vertritt sich Mal die Füsse. Mittlerweile steigt jemand ein, der auf Platz 27 sitzt. Zum Glück erklärt sich der nette Herr schnell bereit zu tauschen und da Platz 28 schon belegt ist mit der Tasche des älteren Herren, von dem gerade weit und breit nichts zu sehen ist setzt er sich einfach auf den nächsten freien Platz. Sehr nett und unkompliziert. 


17:07: Die Landschaft ist wirklich schön. Links die Anden und davor immer wieder weite Weinfelder, rechts etwas herbstliche Vegetation, in der Mitte eine ziemlich schmale lange Straße, gefühlt immer geradeaus. Hier halten wir, ach nein, wir halten nicht nur, wir fahren rückwärts... Hier? Wirklich? Seltsam.... Der Grund dafür wird nach ein paar Metern offensichtlich: am linken Straßenrand liegt ein Auto auf dem Dach. Unsere beiden Busfahrer eilen zur Hilfe, aber der Autofahrer scheint unverletzt und steht zumindest von alleine. Mittlerweile sind fast alle männlichen Fahrgäste aus unserem Bus ausgestiegen, diskutieren kurz und kippen kurzer hand das Fahrzeug zurück auf die Räder. Der Fahrer sammelt seine verstreuten Habseligkeiten ein und fertig. Das Auto hat eine ordentliche Delle und eine gebrochene Scheibe, aus der Motorhaube läuft Öl (was die ältere Dame hinter mir dazu veranlasst mehrfach Blut, Blut zu rufen, bis ihr jemand erklärt, dass es wohl nur Öl ist - sie wirkt das etwas enttäuscht: "No hay sangre? - Wirklich kein Blut?"). Wir fahren weiter.



18:00: Es gibt Kaffee und Kekse für alle. Juhu - noch mehr Kekse...


19:00: Im Board Fernsehen laufen nur langweilige Filme, Spiele spielen ist ohne Tisch auch anstrengend, die Kinder vor uns toben quiekend über die Sitze und wir haben noch mindestens 12 Stunden vor uns. 


21:30 nächster Halt: La Rioja

Unser netter Nachbar, der bereitwillig Platz getauscht hatte steigt aus - schade. Dafür steigt ein neuer Passagier ein, der Platz 27 hat. Tauschen möchte er auf nette Nachfrage eigentlich nicht, da das ja aus Sicherheitsgründen verboten sei. Jetzt schaltet sich die Familie vor uns ein und fragt nach seinem Sitzplatz: 27 - kann nicht sein, die Familie hat 25, 26, 27, 28 und präsentiert uns allen ihre Tickets. Moment Mal... 26 und 28? Aber die gehören doch uns.... Und der ältere Herr? Der hat auch 28.... große Ratlosigkeit bei allen Beteiligten. Der neue Passagier sucht den Busfahrer, der aber keine Zeit hat und schnell weiter will. Der neue Passagier ist verunsichert, weiß nicht so recht und ist dann bereit auf dem freien Sitzplatz zu bleiben, wo sein netter Vorgänger schon saß. War doch gar nicht so schwer...Mittlerweile sind auch noch mehr schreiendes Kinder eingestiegen ... Immerhin übergibt sich diesmal keiner... Es könnte schlimmer sein. 


21:45: Wieder gibt es Chips und Kekse und Getränke. Immer noch seltsam, aber so richtig wundern wir uns nicht mehr. 


23:00: Zeit schlafen zu gehen, schließlich wird die Fahrt ja schon gegen 6 Uhr zuende sein. Also schnell noch den Sitz in Liegeposition stellen und Oropax rein und.... Von hinten werde ich von einem vehementen "Señora, Señora" gefolgt von Klopfen auf meinen Sitz unterbrochen. Die "no hay sangre' Dame hatte sich entschlossen ihr Gepäck nicht im Gepäckfach zu deponieren, sondern lieber auf dem Schoß zu transportieren. Das verträgt sich nur leider nicht mit meinem Sitz in Schlafposition - also bittet mich ihr Mann mehr oder weniger höflich mit Hinweis auf seine etwas eingequetschte Frau meinen Sitz doch bitte wieder "etwas" aufrechter zu stellen.... Also nichts mit Semi-Cama, sondern Schlafen im Sitzen. 


3:00: Viel geschlafen hab ich danke unbequemer Sitzposition, zahlreicher Schlaglöcher und dem schnarchenden Herren hinter mir mit seiner eingequetschte Frau, die regelmäßig an meinem Sitz rüttelt bisher nicht. Wieder einschlafen ist auch schwierig. Mittlerweile riecht es nach voller Windel - noch mindestens 3 Stunden


Gegen 4:45 schlafe ich nochmal kurz ein. Um 6 bin ich wieder wach - dafür sind mein rechter Arm und mein linkes Bein eingeschlafen... na wenigstens ein Teil von mir kann schlafen... Noch 170 km...es riecht nicht mehr nach voller Windel und das Paar hinter mir steigt aus. Ich freue mich, klappe meinen Sitz zurück und schlafe noch bis kurz nach 8. 


Um 8:30 sind wir dann schließlich in Salta - mit wenig Schlaf, 2 Stunden Verspätung und um einige Tüten Chips und Kekse reicher endet unser Abenteuer Busfahrt. Wir freuen uns immer noch über unser Schnäppchen und auch schon ein bisschen aufs nächste Mal :)